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Basiskonto eröffnen?

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Mitte 2016, nämlich exakt zum 19. Juni, wurde das sogenannte Zahlungskontengesetz eingeführt.

Zentrales Element ist vor allem das Basiskonto, auf welches seit diesem Zeitpunkt jede Person, die sich rechtmäßig innerhalb der EU aufhält, ein Anrecht hat.

Im folgenden Ratgeber können Sie sich darüber informieren, worum es sich bei diesem Basiskonto handelt, wie Sie ein solches Konto eröffnen lassen können und was Sie sonst noch zum Basiskonto wissen sollten.

Worum handelt es sich beim Basiskonto?

Eine Art Vorgänger des Basiskontos war das sogenannte Girokonto für jedermann, welches in der Praxis allerdings nie wirklich zum Zuge kam.

Erst mit der bereits angesprochenen Einführung des Zahlungskontengesetzes hat jetzt tatsächlich seit Mitte 2016 jeder EU-Bürger sowie jede Person, die sich rechtmäßig innerhalb der Europäischen Union aufhält, ein Anrecht auf ein Zahlungsverkehrskonto.

Das Basiskonto ist demzufolge nichts anderes als ein Girokonto, welches allerdings von den Banken unter bestimmten Voraussetzungen eröffnet werden muss.

Es hat aber nicht immer alle Leistungen eines normalen Girokontos.

Grundsätzlich kann das Basiskonto zum normalen Zahlungsverkehr genutzt werden. Sie brauchen demnach nicht zusätzlich ein weiteres Girokonto, falls Sie sich für ein Basiskonto entschieden haben.

Abgrenzung des Basiskontos zum P-Konto sowie normalen Girokonto

Nicht zu verwechseln ist das Basiskonto mit dem P-Konto (Pfändungsschutzkonto).

Das P-Konto hat die wesentliche Aufgabe, dass die Kontonutzung dann vereinfacht wird, wenn gegen den Kontoinhaber ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorliegt.

In dem Fall kann der Kontoinhaber bis zu einem festgelegten Betrag ohne vorherige Zustimmung der Bank Verfügungen vornehmen, was bei einem normalen Girokonto aufgrund der Kontosperre nicht möglich wäre.

Im Grunde ist das P-Konto eine Zusatzvereinbarung, die Bank und Kunde zum Girokonto treffen. Mit dem Recht auf ein Basiskonto hat dies jedoch nichts zu tun.

Vom gewöhnlichen Girokonto unterscheidet sich das Basiskonto vor allem dadurch, dass die Bank den Antrag unter normalen Umständen nicht ablehnen kann.

Allerdings ist das Basiskonto im Vergleich zum klassischen Girokonto häufig nicht mit allen Leistungen ausgestattet, wie zum Beispiel der Nutzung eines Dispositionskredites oder einer Kreditkarte.

Wer darf ein Basiskonto eröffnen?

Die Frage danach, wer ein Basiskonto eröffnen darf, wird nicht selten falsch oder zumindest unzureichend beantwortet.

Oftmals heißt es nämlich, dass ausschließlich EU-Bürger das Recht darauf haben, ein derartiges Konto zu eröffnen. Dies ist nur teilweise richtig.

Neben jedem Bürger, der als EU-Bürger in einem der Mitgliedstaaten der Europäischen Union wohnt und lebt, sind es nämlich darüber hinaus ebenfalls alle Personen, die sich aktuell rechtmäßig innerhalb der Europäischen Union aufhalten.

Somit haben beispielsweise auch Personen ohne festen Wohnsitz, Asylsuchende und Menschen ohne Aufenthaltstitel, die jedoch nicht abgeschoben werden dürfen, das Recht auf ein Basiskonto.

Was sind die rechtlichen Grundlagen des Basiskontos?

Wie in der Einleitung bereits kurz angesprochen, ist das Zahlungskontengesetz (ZKG) die rechtliche Grundlage des Basiskontos innerhalb der gesamten Europäischen Union. In Kraft trat dieses Gesetz zum 19. Juni 2016 und stellt somit die rechtliche Grundlage dafür dar, dass alle Personen, die sich rechtmäßig innerhalb der EU aufhalten, die Eröffnung eines Basiskontos verlangen können.

Welche Leistungen beinhaltet das Basiskonto?

Das Basiskonto muss einige grundlegende Funktionen beinhalten, die ebenfalls beim normalen Girokonto zu finden sind, nämlich insbesondere:

  • Ein- und Auszahlungen in bar
  • Überweisungen
  • Lastschriften
  • Daueraufträge
  • Zahlungskartengeschäft

Sie können das Basiskonto für alle grundlegenden Funktionen des Zahlungsverkehrs nutzen, beispielsweise in Geschäften mit der zugehörigen Kundenkarte bezahlen, Online-Banking in Anspruch nehmen und einzelne Überweisungsaufträge von Ihrem Basiskonto tätigen.

Allerdings gibt es bei den meisten Banken einige Einschränkungen bezüglich der Leistungen, die Sie beim entsprechenden Basiskonto nicht nutzen können. So ist das Kreditinstitut beispielsweise nicht dazu verpflichtet, Ihnen einen Dispositionskredit einzuräumen oder zum Basiskonto eine Kreditkarte auszustellen.

Wie kann man ein Basiskonto eröffnen?

Büro- und Geschäftshaus mit Commerzbank im Untergeschoss

Eine Bank irgendwo in Deutschland …

Die Eröffnung eines Basiskontos ist in der Praxis relativ einfach. Zunächst einmal können Sie sich für eine beliebige Bank entscheiden, denn jedes Kreditinstitut innerhalb der Europäischen Union muss ein solches Basiskonto anbieten.

In Deutschland sind es unter anderem die folgenden Kreditinstitute, bei denen Sie das Basiskonto eröffnen können:

  • DKB
  • ING-DiBa
  • comdirect
  • Norisbank
  • Sparkassen
  • Sparda-Banken

Falls Sie ein Basiskonto eröffnen möchten, teilen Sie dies einfach der entsprechenden Bank mit. Sie werden dann entweder online oder in der Filiale einen Kontoeröffnungsantrag ausfüllen müssen, der sich auf das Basiskonto bezieht. Der gesamte Vorgang der Kontoeröffnung ist mit der bei einem normalen Girokonto zu vergleichen.

Unter welchen Voraussetzungen muss das Basiskonto eröffnet werden?

Es besteht zwar grundsätzlich ein Recht, dass jede sich rechtmäßig in der EU aufhaltende Person ein Basiskonto bekommen muss. Allerdings gibt es dennoch einige Voraussetzungen, die zu erfüllen sind. So müssen Sie beispielsweise volljährig sein, denn Minderjährige haben keinen Anspruch auf ein Basiskonto.

Darüber hinaus haben Sie nur unter der Voraussetzung ein Anrecht auf das Basiskonto, dass Sie bei keiner anderen Bank schon ein gewöhnliches Girokonto führen.

In diesem Fall kann die Bank, bei der Sie das Basiskonto beantragen, den Antrag ablehnen.

Hintergrund ist vor allem der, dass jedes gewöhnliche Girokonto durch eine Vereinbarung in ein Basiskonto umgewandelt werden kann. Daher besteht kein Anlass, dass es sich beim Basiskonto um ein zweites Girokonto handeln muss.

Es sind also insbesondere die folgenden Voraussetzungen, unter denen Sie ein Basiskonto eröffnen dürfen:

  • Kontoinhaber ist volljährig
  • EU-Bürger oder rechtmäßiger Aufenthalt innerhalb der Europäischen Union
  • es existiert bisher kein gewöhnliches Girokonto
  • keine gravierenden negativen Vorkommnisse bei der Bank

Der zuletzt genannte Punkt muss sicherlich noch etwas näher erläutert werden. Das Kreditinstitut, bei dem Sie das Basiskonto eröffnen möchten, ist dazu nämlich nicht verpflichtet, falls es in der Vergangenheit zum Beispiel eine vorsätzliche Straftat gegen eben diese Bank seitens des Kunden gegeben hat. Dies ist allerdings eine der wenigen Ausnahmen, bei denen die Eröffnung des Basiskontos abgelehnt werden darf.

Kontoeröffnung aus dem Ausland ebenfalls möglich

Da jeder EU-Bürger das Recht auf ein Basiskonto hat, ist es in der Praxis ebenfalls möglich, die Kontoeröffnung aus dem Ausland vorzunehmen.

Diese Alternative nutzen viele Kunden bereits seit Jahren beim normalen Girokonto.

Die Kontoeröffnung ist deswegen kein Problem mehr, weil es mittlerweile zahlreiche Direktbanken am Markt gibt, bei denen die Kontoeröffnung ohnehin in vollem Umfang online erfolgt.

Falls Sie sich beispielsweise aus beruflichen Gründen für einige Jahre im Ausland aufhalten, können Sie entweder bei einer dort ansässigen Bank ein Basiskonto beantragen oder online bei einem deutschen Kreditinstitut die Kontoeröffnung vornehmen.

Während alle EU-Bürger automatisch das Recht auf ein Basiskonto haben, muss bei den Nicht-EU-Bürgern differenziert werden.

In diesem Fall haben Sie nämlich nur dann ein Anrecht auf das Basiskonto, wenn Sie sich rechtmäßig innerhalb der Europäischen Union aufhalten. Dies bedeutet, dass sowohl Personen, die sich entweder gar nicht innerhalb der EU aufhalten oder dort illegal sind, kein Basiskonto eröffnen dürfen. Wer beispielsweise in den Vereinigten Staaten lebt, hat natürlich kein Anrecht auf ein Basiskonto.

Bildnachweis: Commerzbank-Filiale © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

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Urteil: keine Zusatzgebühren fürs P-Kont…

OLG Frankfurt am Main

Schon im Jahr 1999 entschied der Bundesgerichtshof, dass Banken und Sparkassen ihren Kunden keine Gebühren im Fall der Kontopfändung zusätzlich berechnen dürfen. Die Einführung des Pfändungsschutzkontos im Jahr 2010 nutzten Geldinstitute jedoch, um Kunden erneut Mehrkosten aufzuladen.

Das Pfändungsschutzkonto – oder kurz P-Konto – ermöglicht Menschen, auch im Fall einer Kontopfändung noch über einen Teil des eigenen Geldes zu verfügen, sodass Rechnungen beglichen und das Lebensnotwendige eingekauft werden kann.

Unklare Gesetze zu P-Konto-Gebühren

Der Gesetzgeber hatte verpasst, die Regelungen um eine eindeutige Formulierung zur Kostenverteilung beim neuen P-Konto zu ergänzen. Unsere Petition an den Deutschen Bundestag mit der Bitte, hier eine Klarstellung herbeizuführen, blieb leider erfolglos.

So erhoben Banken von ihren Kunden, die ihr per Gesetz garantiertes Recht auf Umwandlung eines Girokontos in ein P-Konto ausüben wollten, teils unzumutbare Gebühren. Die Aufgabe, eine Klärung über die Zulässigkeit dieser Mehrkosten herbeizuführen, fiel erneut an die Gerichte.

Urteil des OLG Frankfurt/Main

Am 28. März fällte die oberste Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Hessen nun eine Entscheidung. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main formulierte dabei den folgenden Leitsatz:

Eine Entgeltklausel, wonach für das Führen eines Pfändungsschutzkontos ein (weitaus) höheres monatliches Entgelt verlangt wird als für das Führen des allgemeinen Girokontos, stellt eine unangemessene Benachteiligung der privaten Kunden […] dar, weil das – auf entsprechendes Verlangen des Kunden – Führen eines Girokontos als Pfändungsschutzkonto […] eine Dienstleistung zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht darstellt, für die eine Bank auch dann kein Entgelt verlangen kann, wenn sie dadurch höhere Aufwendungen hat.

Urteil des OLG Frankfurt/Main, 19. Zivilsenat, vom 28.03.2012, Aktenzeichen: 19 U 238/11.

Das Gericht folgte damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und wandte sie hier auf das neue P-Konto an.

In erster Instanz hatte das Landgericht Frankfurt am Main die Klage noch abgewiesen. Die klagende Verbraucherschutzorganisation legte Berufung ein, sodass der Fall dem Oberlandesgericht zufiel. Mit Erfolg. Eine weitere Revision wurde nicht zugelassen.

Ähnliche Entscheidung in Bremen

Auch das Oberlandesgericht Bremen hat im März eine ähnliche Entscheidung getroffen. In der Hansestadt geklagt hatte die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. gegen die Sparkasse Bremen. Anders als in Hessen wurde in Bremen die Revision jedoch zugelassen.

Fazit

Banken und Sparkassen dürfen grundsätzlich keine höheren Gebühren verlangen, wenn Kunden ihr Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) umwandeln lassen – und darauf hat der Kunde einen gesetzlichen Anspruch.

Bildmaterial: Pincerno/Wikipedia (CC-BY-SA-3.0)

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SCHUFA: Verwendung von P-Konto-Daten

Vor einem Monat startete das P-Konto. In Kraft gesetzt wurde es durch das Gesetz zur Reform der Kontopfändungsschutzes.

Das Gesetz ändert die Zivilprozessordnung so, dass eingerichtete P-Konten ausdrücklich an die SCHUFA Holding AG gemeldet werden. Eine einmalige Regelung in Deutschland – und Anlass für uns, bei der SCHUFA nach der Verwendung der Daten zu fragen.

Die SCHUFA

Ullsteinhaus in Berlin, Sitz der Berliner Geschäftstelle der SCHUFA

Die Berliner SCHUFA-Geschäfts­stelle findet sich im Ullsteinhaus.

Die Geschichte der SCHUFA reicht bis in das Jahr 1927 zurück. Seitdem war die „Schutzgemeinschaft für Absatzfinanzierung“, später „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“, in verschiedenen regionalen Vereinen organisiert.

1952 wurde die Bundes-SCHUFA e. V. von den nach dem Krieg wiederbelebten Regionalstellen gegründet. Erst im Jahr 2000 wurde die SCHUFA in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Unternehmenssitz ist die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden.

Daten sind das Kapital der SCHUFA

Das privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen sammelt personenbezogene Daten über Verbraucher und ihr Verhalten im Finanzbereich. Dazu gehören Informationen über eingerichtete Konten, Kredite und Verträge, über Zahlungsausfälle und Vollstreckungsmaßnahmen.

Mehrfach beschäftigten sich Gerichte im Rahmen des Datenschutzes mit der SCHUFA. 1985 erklärte der Bundesgerichtshof beispielsweise, dass Kundendaten nur dann an die SCHUFA übermittelt werden dürfen, wenn der Kunde dem in einer Vertragsklausel zugestimmt hat.

Ein Recht auf Auskunft

Das Bundesdatenschutzgesetz räumt jedem Bürger das Recht ein, die über ihn bei Auskunfteien wie der SCHUFA gespeicherten Daten einmal im Jahr kostenlos einzusehen (§ 34).

Gibt es berechtigten Anlass zu der Annahme, dass die Daten bei der SCHUFA Fehler enthalten, muss die Auskunft auch wiederholt kostenfrei gewährt werden. Falsche Angaben muss die SCHUFA berichtigen (§ 35).

Das P-Konto bei der SCHUFA

Um Missbrauch beim P-Konto zu vermeiden, hat der Gesetzgeber die SCHUFA Holding AG explizit berechtigt, Daten über Pfändungsschutzkonten von Banken zu erhalten und an Banken weiterzugeben:

Jede Person darf nur ein Pfändungsschutzkonto führen. Bei der Abrede hat der Kunde gegenüber dem Kreditinstitut zu versichern, dass er ein weiteres Pfändungsschutzkonto nicht führt. Die SCHUFA Holding AG darf zum Zweck der Überprüfung der Versicherung nach Satz 2 Kreditinstituten auf Anfrage Auskunft über ein bestehendes Pfändungsschutzkonto des Kunden erteilen. Die Kreditinstitute sind zur Erreichung dieses Zwecks berechtigt, der SCHUFA Holding AG die Führung eines Pfändungsschutzkontos mitzuteilen.

Datenverwendung durch die SCHUFA

Wir fragten bei der SCHUFA an, ob die Information über das Einrichten eines P-Kontos über diesen gesetzlich vorgesehen Zweck hinaus in weiteren Zusammenhängen verwendet werden.

Insbesondere interessierte uns, ob ein eingetragenes P-Konto einen Einfluss auf den Score-Wert (siehe auch „Schuldenatlas 2009: die Schattenseite der Statistik“) des Kunden hat. Die Antwort der SCHUFA ist nicht eindeutig:

Der Gesetzgeber hat in § 850k Abs. 8 ZPO ausdrücklich eine Zweckbestimmung für die Verwendung der Information des P-Konto definiert. Die SCHUFA trägt durch geeignete technisch-organisatorische Maßnahmen dafür Sorge, dass dieser Zweckbestimmung Rechnung getragen wird.

SCHUFA Holding AG

Wir stellten ebenfalls die Frage, ob im Zusammenhang mit der Einschätzung der Kreditwürdigkeit jenen, die von einer Kontopfändung nicht bedroht sind, davon abzuraten sei, ein P-Konto vorsorglich einzurichten. Dazu konnte das Unternehmen keine Empfehlung geben, da dies allein das Verhältnis zwischen Kunde und Bank betreffe.

SCHUFA in der Kritik

SCHUFA-Verbraucherservice-Stelle in Köln: Widdersdorfer Straße

Sitz der SCHUFA-Verbraucher­service­stelle in Köln

Zuletzt geriet die SCHUFA wegen mangelnder Transparenz bei der Berechnung der Score-Werte in die Kritik. In einer Pressemitteilung vom 19. Juli rügte das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein die Informationspolitik des Unternehmens.

Die Verwendung der Score-Werte sei demnach „unverantwortlich“. Datenschützer und selbst Banken wüssten nicht, nach welchen Kriterien die ihnen von der SCHUFA übermittelte Kreditwürdigkeit errechnet wird.

Bildmaterial:
Ingrid Strauch (Wikimedia, CC-BY-SA),
mueritz (Flickr, CC-BY-SA)

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Privatverschuldung im Wandel der Zeit

In diesem Jahr durfte Deutschland mehrere runde Jubiläen begehen: Kürzlich am 9. November den zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls. Im Mai dieses Jahres feierte das Grundgesetz seinen sechzigsten Geburtstag – und damit auch die ganze Republik.

Wie hat sich die Privatverschuldung im demokratischen Deutschland vom Anfang bis heute entwickelt?

Verschuldung vergleichen

Der Vergleich von Geldbeträgen über größere Zeitspannen hinweg ist herausfordernd. Die Inflation sorgt dafür, dass man sich heute für den gleichen Geldbetrag weniger kaufen kann, als vor vielen Jahren. Daher sind dieselben Zahlen in verschiedenen Jahrzehnten unterschiedlich zu bewerten. Andererseits sind die Löhne zwischenzeitlich gestiegen.

Wenn man sich die Schulden in ganz Deutschland anschaut, muss man auch die Bevölkerungsentwicklung betrachten: In den Gründungsjahren der Republik lebten weniger Menschen in Deutschland als im neuen Jahrtausend, die Schulden verteilten sich demnach auf weniger Schultern.

Dass wir zwischendurch mit der Wiedervereinigung ein anderes, größeres Deutschland geworden sind, trägt ebenso wie die Währungsreform von Deutscher Mark zum Euro zu den Schwierigkeiten eines historischen Vergleichs bei.

Dennoch haben wir uns der Aufgabe gestellt: Um trotz der vielen Einflüsse zu einem aussagekräftigen Ergebnis zu kommen, vergleichen wir nicht nur die Privatverschuldung sondern auch das Bruttonationaleinkommen, dass früher Bruttosozialprodukt genannt wurde. So werden Schulden und wirtschaftliche Leistung ins Verhältnis gesetzt.

Schulden 1950–2008

Im Jahr 1950 summierten sich die privaten Schulden aller Bundesbürger auf rund 1 Milliarde D-Mark. Das Bruttonationaleinkommen lag im gleichen Jahr bei rund 105 Milliarden D-Mark. Die Schulden betrugen also etwas weniger als ein Prozent der wirtschaftlichen Jahresleistung.

2008 lag das private Schuldenvolumen bei 253 Milliarden Euro, während sich das Bruttonationaleinkommen auf rund 2,53 Billionen Euro steigerte. In Prozent ausgedrückt: Die Privatschulden der Bürger machten 10 % der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aus.

Das heißt, deutsche Bürger waren 2008 mehr als zehn mal so hoch verschuldet wie 1950, ein Jahr nach Gründung der Republik.

Zehn mal mehr Schulden – ist das schlecht?

Nein, so kann man das nicht sagen. Schulden können sowohl schädlich als auch wirtschaftlich sinnvoll sein. Es kommt immer darauf an, wofür man sich verschuldet – und ob man das Geld zurückzahlen kann. So stehen mehr Schulden zum einen für persönliche Geldnöte, andererseits auch für selbstbewusste Investitionen in die Zukunft.

Investitionen lohnen

ein kleines Haus

Übrigens auch eine Form der Altervorsorge: Wohneigentum.

Manche Investitionen lassen sich gar nicht ohne Schulden finanzieren. Unternehmen kennen das aus ihrem täglichen Geschäft. Es gilt aber ebenso für Privatpersonen: Kaum jemand hat das Geld für einen Hauskauf oder eine Eigentumswohnung auf dem Konto zu liegen. Wohneigentum wird fast immer über Schulden erworben.

Hierbei handelt es sich um eine sinnvolle Investition. Anstatt monatlich Miete abzugeben, die man nie wieder sieht, zahlt man einen Kredit für Haus oder Wohnung ab. Wenn alles gut läuft, ist man nach einigen Jahren Ratenzahlung Eigentümer, schuldenfrei und kann die fortan eingesparte Miete für andere Dinge ausgeben. Man erwirbt Eigentum und spart am Ende noch Geld dabei.

Schulden sei Dank.

Allerdings funktioniert das nur, wenn die Kreditrate bedient werden kann. Dafür braucht man eine gewisse Stabilität beim Einkommen. Plötzliche Arbeitslosigkeit oder eine Scheidung bergen Risiken. Man gibt ein Stück Unabhängigkeit auf, indem man sich an einem Ort verwurzelt. Nichtsdestotrotz ist das Eigenheim für viele das klassische Beispiel für sinnvolle Privatschulden.

Vorsicht bei Konsumkrediten

Anders sieht es aus, wenn man sich für reinen Konsum verschuldet. Solange der alte Fernseher noch funktioniert, ist ein neues Gerät auf Ratenzahlung unnötig. Ein Fernseher wirft keinen Gewinn ab, der die Kreditbelastung und damit verbundene Mehrkosten ausgleichen könnte.

Zudem verschenkt man nichts, wenn man erst genug Geld anspart, zum Beispiel auf einem gut verzinsten Tagesgeldkonto, und erst dann ein neues Gerät kauft.

Konsumkredite sind für den Kreditnehmer fast immer ein Minusgeschäft. Und: Je kurzlebiger das Produkt ist, umso weniger sinnvoll ist eine Ratenzahlung. Erfreulich ist daher, dass sich Konsumkredite in Deutschland in den letzten zehn Jahren konstant hielten, während beispielsweise in den USA und Großbritannien immer mehr auf Kredit gekauft wurde.

Quellen: „SchuldnerAtlas Deutschland 2009“ von Creditreform, „Das Geldsyndrom“ von Helmut Creutz
Bildmaterial: Wikimedia